Baldur
Der Helle und Reine
Baldur ist der schönste und freudlichste der Götter. Er ist der Sohn von Odin und seiner Gemahlin Frigg und gemeinsam mit seinem Bruder Höðr der Erbe von Odins Herrschaft, wenn die Brüder nach der Götterdämmerung wiedergeboren werden. Baldur ist von sonnenhaftem Wesen. Er ist so hell, dass ein Leuchten von ihm ausgeht, er ist der weiseste der Asen und am sprachgewandtesten, doch es ist ihm bestimmt, dass seine Beschlüsse keinen Bestand haben. Von allen germanischen Göttern kommt er dem Wesen eines Sonnengottes am nächsten, doch die Sonne ist im Norden weiblich. Baldurs Wesen ist aber voll der Dinge, die von der Sonne ausgehen: Licht, Reinheit, erhellender Geist und Heilung. Eine wichtige Heilpflanze, die von den keltischen Druiden „Allheil” genannte Mistel, ist Baldur geweiht. Indem sie heilt, leistet sie Wiedergutmachung dafür, dass sie Baldur getötet hat, wie der Mythos berichtet:
Der Mythos von Baldurs Tod und Wiedergeburt
Es wird berichtet, dass Baldur schlechte Träume hatte, und Odin ins Totenreich der Hel reiste, um dort eine verstorbene Seherin zu erwecken und nach der Bedeutung der Träume zu fragen. Sie erzählte ihm, dass seinem Sohn ein früher Tod bestimmt sei. Da schickte Frigg, seine Mutter, Boten zu allen Wesen und Dingen der Welt und ließ sie schwören, Baldur keinen Schaden zuzufügen. Alle schworen es, denn alle liebten Baldur, doch ein einziges Wesen hatten die Boten übersehen, da es zu unscheinbar war. Das war die Mistel. Der einzige außer Frigg, der davon wusste, war Loki, denn er brachte eine Botin Friggs dazu, ihm das Geheimnis zu verraten.
Als die Asen nun glaubten, dass nichts in der Welt Baldur schaden konnte, machten sie sich einen Spaß daraus, die gefährlichsten Dinge nach ihm zu werfen und zu sehen, wie sie wirkungslos an ihm abprallten. Alle feierten die Unversehrbarkeit Baldurs mit diesem Spiel, nur sein Bruder Höðr konnte nicht mitmachen, denn er war blind. Da ging Loki zu ihm und bot sich an, ihm die Hand zu führen, damit auch er Baldur diese Ehre erweisen konnte. Höðr spannte einen Bogen, aber Loki legte als Pfeil die Mistel ein, und so geschah es, dass Baldur von seinem blinden Bruder getötet wurde.
Alle Götter waren verzweifelt, nur Baldurs Mutter Frigg gab die Hoffnung nicht auf: Sie fragte, ob nicht einer genug Mut habe, ins Totenreich zu gehen und mit seiner Herrscherin Hel zu verhandeln, dass sie Baldur freigeben würde. Das wagte ein dritter Sohn, den sie mit Odin hatte, Hermoðr. Er ritt mit Odins Pferd Sleipnir ans Tor der Hel, durch das keiner, der es durchschritten hatte, wieder zurückkehrt. Sleipnir sprang über das Tor, und so konnte Hermoðr wieder zurückkehren. Es gelang ihm, Hel dazu zu überreden, dass sie Baldur freigeben würde, wenn alle Wesen und Dinge der Welt um ihn weinen würden. Frigg schickte wieder ihre Boten aus, und alle weinten um Baldur bis auf eine Riesin mit Namen Thökk. Es heißt, dass dies Loki war, der sich in die Riesin verwandelt hatte. Die Götter ergriffen ihn und fesselten ihn an einen Felsen unter der Erde, von dem er sich erst bei der Götterdämmerung losreißen kann.
Die alte Verehrung Baldurs
Manchen halten Baldur für einen „jungen” Gott, der erst in der Vikingerzeit bekannt war. Das ist aber nicht richtig, denn er wird bereits in altenglischen (unter der Namensform Bældæg) und althochdeutschen Texten (Balder) erwähnt. Vieles spricht auch dafür, dass er mit dem keltischen Beli oder Belenos verwandt ist. Als Gott des Lichtes, der Reinheit und der Heilung entspricht er auch dem griechischen Apollon, von dem es heißt, dass er zuerst bei den „Hyperboräern”, dem Volk im äußersten Norden der Welt, verehrt wurde. Dort hatte er der Sage nach einen runden Tempel, den griechische Reisende später mit Stonehenge identifizierten. Es ist gut möglich, dass der Kult Baldurs in der Bronzezeit, als rege Handelsbeziehungen bestanden, vom Norden bis nach Griechenland verbreitet war. Im Mittelpunkt der bronzezeitlichen Religion des Nordens standen Sonnen- und Jahreszeitriten, die bis heute in unseren Hauptfesten gefeiert werden.
Sommer- und Wintersonnenwende sind mit dem Mythos Baldurs verbunden: Im Sommer, wenn sich die Sonne nach Süden kehrt und die Tage kürzer werden, gedenken wir des Tods Baldurs, und zum Julfest, wenn die Wiederkehr der Sonne einsetzt, feiern wir seine Wiedergeburt. Dies heißt nicht, dass Baldur ein Gott ist, der jahreszeitlich stirbt und wiederkehrt. Sein Schicksal ist an Ragnarök, die Götterdämmerung, geknüpft, und somit ein einmaliges Ereignis – zumindest innerhalb der gegenwärtigen Welt. Es ist aber analog dem Schicksal der Sonne, sodass das Gedenken daran zu den Sonnenwenden Sinn macht.
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