Freyja
Die größte Göttin der Wanen
Die größte Göttin der Vanen, die daher auch einfach Vanadis (Vanengöttin) genannt wird, ist Freyja. Eine Bronzestatuette der Vikingerzeit zeigt sie in der seit der Eiszeit bekannten „klassischen Venushaltung” mit einem Arm auf der Brust. In der rechten Hand steckte offensichtlich ein heute verlorenes Zusatzteil, vermutlich eine Waffe, denn Freyja ist nicht nur die Göttin der Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit, sondern die Göttin von Leben und Tod und daher auch eine Kriegerin (wie übrigens auch Venus) und Göttin der Gefallenen, von denen sie die Hälfte aufnimmt.
Freyja als Göttin von Leben und Tod
In Freyja verehren wir die kosmische Macht der Liebe, die sich in der natürlichen Sexualität und ihren schöpferischen Kräften manifestiert. Als kosmische Göttin ist Freyja ebenso wie Frigg mit der Sonne verbunden – weniger aber mit ihrer Ordnungsmacht als ihren lebensspendenden Kräften, Wärme, Glanz und Reichtum, die im Mythos ihr goldener Halsschmuck repräsentiert, der Brisingamen (Flammenring) heißt und von vier Alben geschmiedet wurde, nachdem sie mit ihnen geschlafen, d.h. durch den Ritus der Heiligen Hochzeit die Geister der vier Elemente – die ganze Natur – mit ihrer Heiligkeit erfüllt hatte.
Während Frigg als Ordnungsgöttin nur die eheliche Liebe schützt, verteilt Freyja als Göttin der Liebe an sich ihre Gaben unterschiedslos. Sie spendet auch allen Wesen in gleicher Weise Leben und Fruchtbarkeit: Alles Leben ist ihr Geschenk und gleich heilig. Freyjas heilige Tiere sind Katze, Schwein und Falke. Im Mythos besitzt sie einen Wagen, der von zwei Katzen gezogen wird, und ein Falkenkleid, mit dem sie, in einen Falken verwandelt, fliegen kann. Diese Verwandlungsfähigkeit ist ein Zeichen ihrer magischen Kraft, denn Freyja ist die Herrin der vanischen Art des Zaubers, die oft Seiðr genannt wird – ein nordisches Wort, das aber auch allgemein für Zauberei verwendet wurde. Im engeren Sinn, unterschieden von Galdr, dem Soruchzaber, ist Seiðr die Kunst des „Siedens” (wie der Name sagt) von Heil- und Zaubertränken im heiligen Kessel sowie die Magie der Verwandlung.
Dass im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen die lebensspendende Göttin zugleich die todbringende ist, drückt die Edda damit aus, dass der Eber, den Freyja besitzt, Hildisvinn (Kampfschwein) heißt, und dadurch, dass sie die Hälfte der gefallenen Krieger auswählt (die andere erhält Odin). Freyja führt sie nach Fólkvang (Volksfeld). Was dort mit ihnen geschieht, wird nicht eigens gesagt, aber man kann sich denken, was die Göttin des Lebens mit ihnen vorhat: ein neues Leben. Die zu jung starben, um Nachkommen zu haben, sollen eine zweite Chance erhalten.
Freyja und Oðr
Freyja war, als sie einen Gatten nehmen sollte, äußerst wählerisch. Auch Oðr, dessen Name die nordische Form von woð, der geistigen Kraft Odins, ist, musste dreimal um sie werben, ehe sie ihn eines Blickes würdigte. Die Liebe zwischen den beiden ist aber das Urbild aller Liebe: Sie ist so groß, dass Freyja ohne Oðr nicht leben kann und ihn, als er auf der Suche nach Weisheit die Länder durchstreift, überall sucht und Tränen um ihn weint, aus denen der Bernstein entstanden ist.
Die Verbindung von Freyja und Oðr, der wegen seines Namens als eine Erscheinungsform Odons aufgefasst werden kann, zeigt sich darin als Urbild der gegenseitigen Ergänzung von Mann und Frau: So wie er dreimal wirbt, also nicht von ihr lassen kann, verschmerzt sie die Trennung von ihm nicht: Wie der Mann auf die Frau, ist auch die Frau auf den Mann angewiesen. In Freyja und Oðr vereinigen sich auch weiblicher und männlicher Geist, d.h. Denk- und Erfahrungsweisen, Gefühle, Instinkte und geistige Kräfte beider Geschlechter: die Ganzheit des Bewusstseins.
Freyja und Gefjun - die Gründung Seelands
Freyja, die mit einem ihrer Beinamen Gefn (Geberin) heißt, wird auch mit Gefjun gleichgesetzt, von der ein dänischer Mythos erzählt, dass sie vor dem schwedischen König Gylfi sang und ihn so begeisterte, dass er ihr als Lohn soviel Land versprach, wie sie an einem Tag pflügen konnte. Gefjun verwandelte ihre vier Söhne in Ochsen und spannte sie vor den Pflug. Sie waren so stark, dass sie mit einem Ruck das ganze Stück Land aus der Erde rissen, das heute die Insel Seeland ist. Auf einem Brunnen in Kopenhagen ist das dargestellt. Es heißt weiter, dass Gefjun später den Seeländer Skjöldur heiratete, von dem die alte dänische Königsfamilie der Skjöldungen abstammte.
Auch andere skandinavische Sippen fühlten sich nicht nur wie alle Germanen Odin, sondern auch den Vanen wesensverwandt – vor allem natürlich dort, wo Vanengottheiten besonders verehrt wurden (d.h. Gebiete, in denen sie wirklich zu Hause sind, z.B. sehr fruchtbare Gegenden). Südschweden ist ein Land des Freyr. Das von dort stammende schwedische Königsgeschlecht der Ynglinge leitete seine Herkunft von Yngvi ab, der auch Yngvi-Freyr hieß, denn Yngvi, Ingwaz oder Inguz ist ein spezieller Name für Freyr.
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