Heimdall
Heimdall ist ein Sohn Odins, der neun Mütter hat, die Schwestern sind. Viele halten sie für die Töchter des Meerjöten Ägir. Heimdall ist der Wächter der Brücke Bifröst. Er sieht und hört mehr als alle Wesen. So ist er ein Gott der höheren Wahrnehmung und der Verbindung zwischen Göttern und Menschen, wie es auch sein Vater Odin ist. Da er unter dem Namen Rigr die Ahnen der Stände zeugt, halten ihn viele für eine Erscheinung des Stammesgottes und setzen ihn daher mit Odin gleich – in der mythischen Genealogie ist ja oft der Sohn eins mit dem Vater. Andere sehen engere Verbindungen mit Tyr, denn Heimdall ist ein Himmelsgott. Sein Wohnsitz heißt Himinbjörg, er selbst wird „der weiße Ase” genannt. Heimdall besitzt ein Horn, das Gjallarhorn heißt und das er zur Götterdämmerung blasen wird, um die Asen zum Kampf zu rufen. Heimdalls Feind ist Loki, mit dem er um Freyjas Halsband Brisingamen kämpft und es wieder zurückbringt. In der Götterdämmerung treffen die beiden wieder zusammen und töten sich gegenseitig.
Das Lied von Rigr
In der Edda gibt es ein Gedicht, das zu den Menschheitsmythen gehört und sehr oft missverstanden wird. Es erzählt, dass Heimdall unter dem Namen Rigr zu den Menschen ging und bei drei Familien zu Gast war, die kinderlos waren. Er schenkte jeder von ihnen einen Sohn, und von diesen sehr verschiedenen Söhnen stammen die drei Stände der Knechte, Bauern und Jarle (Krieger und Anführer) ab.
Dieses Lied bedeutet keineswegs, dass die Standesunterschiede „gottgewollt” wären. Es betont ganz im Gegenteil die Einheit der germanischen Volksgemeinschaft durch die Abstammung aller vom selben Gott – vielleicht war das notwendig, um beginnende soziale Diskriminierungen hintanzuhalten: Die Edda-Dichter lebten in einer Zeit, in der überall in Europa menschenverachtende Feudalsysteme eingeführt wurden. Die Stände, wie sie das Gedicht beschreibt, sind erst wikingerzeitlich.
Die germanische Gesellschaft war ursprünglich viel offener. Sie bestand aus unabhängigen Sippen, in denen alle gleich waren. Im Stammesverband wurde alles im Thing demokratisch entschieden, die Anführer wurden gewählt und wieder abgewählt.
In einer älteren Version des gleichen Mythenmotivs ist denn auch nicht von Ständen die Rede, sondern von Stämmen. Tacitus berichtet von „alten Liedern” der Germanen, in denen sie das erdgeborene Urwesen Tuisto besangen, dessen Sohn Mannus der Urvater der Ingävonen, Istävonen und Herminonen wurde, dreier mythischer Stämme, die verschiedentlich gedeutet wurden, z.B. als geographische Stammesgruppen oder als Kultbünde. Das ist nicht eindeutig zu klären, der Sinn des Mythos ist aber derselbe wie im Lied von Rigr.
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